Gendermarketing: Mensch, Kinder!

Geschrieben von: Sandra Prawitt

Rosa, Hilflos, grenzdebil?

Egal ob Lebensmittelregal, Spielzeugladen oder Einrichtungshaus – Glitzersteinchen, rosa Glanzmotive und Krönchen zieren Verpackungen, T-Shirts und Möbel – alles, was Mädchen halt so lieben. Dabei dachte ich eigentlich, dass so langsam mal die Geschlechterklischee-Luft bei Produkten für Kinder raus sein müsste. Aber weit gefehlt. Es wird täglich schlimmer. Und ich frage mich: Wie viele Prinzessinnen, süße Zicken und Papas Lieblinge ertrage ich noch? Und was viel gruseliger ist: was soll aus denen mal werden?

Prinzessinnenmacher, hinfort!

Dabei war ich kürzlich noch recht positiv gestimmt. An der Grundschule meiner Tochter stolperte ich nur vereinzelt über Disney-Amseln wie Anna & Elsa, Arielle & Co. Stattdessen Zombies, Geheimagentinnen, Ninja-Kämpferinnen und Jedi-Ritterinnen. Das gab mir Hoffnung. Aber ich befürchte, es war nur eine Ausnahme. Spätestens beim nächsten Besuch im Supermarkt werden sich sehr viele der jungen Damen doch für das rosa Ü-Ei für Girls entscheiden und für das rosa Shampoo, für die rosa Buchstabensuppe, für das pinke Malbuch,  …  man kann sich dem lieblichen Wahnsinn kaum entziehen – hört doch bitte mal auf, aus unseren Mädchen Prinzessinnen zu machen!

Aber warum setzen Hersteller und Marketer zunehmend auf das Rollenklischee bei Kindern? Klar, es verkauft sich besser – vor allem verkauft es sich gleich doppelt, wie praktisch. Ja, das wäre die erste naheliegende Antwort. Eine weitere Erklärung wäre wahrscheinlich, dass die unterschiedlichen Spielwelten den Wünschen  und Neigungen der Kinder entsprächen – und Jungs und Mädchen schließlich selber entscheiden könnten, womit sie spielen …  Nee, ist klar. Als ob sich der 9-jährige Paul im Spielzeugladen vor das Lego-Regal stellt und sich ganz frei für den Lego-Friends-Friseursalon in rosa entscheidet …

Von Blau und Rosa zum Gender Pay Gap!

Dabei finde ich, dass dieses dämliche Rosa-Blau-Farben-Ding nur ein Teil des Problems ist. Das ist nur die augenscheinliche Oberfläche. Gendermarketing geht meiner Meinung nach soweit, dass die geschlechtliche Zuordnung von Produkten gleichzeitig die Zuteilung von Eigenschaften, Interessen und Fähigkeiten beinhaltet. Und diese Botschaft regt mich auf: Ob rosa Küchen, Feenwelten, Ponyhöfe oder Gymnastikstudios – Mädchen erhalten unaufgefordert eine klar zugewiesene Geschlechteridentität: als träumerische Hausfrau, die sich um die Kinder, den Haushalt oder allenfalls um ihre eigene Frisur oder ihre Fitness zu kümmern hat. Ja, okay vielleicht übertreibe ich gerade ein wenig, aber es ist auch nicht von der Hand zu weisen, oder?

Bereits im Kindergartenalter merken die kleinen Menschen nämlich ziemlich schnell, was gesellschaftlich »zu ihrem Geschlecht gehört«, und was eben nicht. Dem möchten sie entsprechen, schließlich wollen sie ja dazu gehören. Sie verinnerlichen Stereotype: Mädchen sind Prinzessinnen, Feen, Puppenmamas, Topmodels – hübsch, adrett, zurückhaltend, hilfsbereit, allenfalls witzig; Jungen sind Helden, Erfinder, Forscher, Rennfahrer, Gangster – laut, mutig, wild. Was machen diese Rollen mit unseren Kindern? Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Auf der einen Seite erscheint es mir ziemlich logisch, dass die »rosa Mädchen« in Berufen landen, in denen es eher um Fürsorge, Pflege oder Erziehung geht als um Forschung, Kreativität oder leitende Positionen. Auf der anderen Seite erklären Studien, dass Spielzeuge mit der späteren Berufswahl – im Gegensatz zu der genetischen Veranlagung – so rein gar nichts zu tun haben.

Mhmmm … das lasse ich lasse jetzt einfach mal so stehen, aber ganz so einfach mache ich es den Unternehmen und Entscheidern nicht: Übernehmt bitte mehr Verantwortung! Hört auf, längst veraltete Rollen zu zementieren und gebt euch gefälligst mehr Mühe, Produkte zu entwickeln, die Kinder in ihrer freien Entfaltung stärken anstatt sie zu verunsichern. Danke.

Lesenswertes zum Thema:

https://www.zeit.de/kultur/2017-03/gender-marketing-sexismus-negativ-preis-goldener-zaunpfahl-10nach8

https://www.fr.de/wirtschaft/rosa-falle-10946025.html