Meditation »Chill mal dein Auge«
Geschrieben von: Franzi Ahorn
»Das ist bestimmt ein Gerstenkorn, das da wächst« sagt meine Kollegin zu mir. Sehr optimistisch, wie ich finde, denn Dr. Google habe ich bereits konsultiert und der sagte mir, dass ich natürlich unheilbar erkrankt sei. Was meine Symptome sind, fragt ihr euch? Augenzucken – ständig, es sei denn, ich will es jemandem zeigen, um Mitleid zu erhaschen, dann ruht es sich kurz mal aus. Aber kaum konzentriere ich mich auf andere Dinge – zack, schlägt es zu: Das Augenlid. Es liegt bestimmt am Stress, wird mir gesagt, und im Grunde fehlt nur noch jemand, der meint: »Ey, chill mal dein Auge«. Und genau das habe ich auch vor. Nur wie?
Was machen Menschen, die Stress haben? In den Urlaub fahren? Kommt für mich nicht in Frage, da stresse ich mich noch mehr und zwinkere bald mit beiden Augen wildfremde Menschen an. Also habe ich nur eine Möglichkeit, und zwar nur diese eine, wenn es nach dem geht, womit man bei Instagram und sonstwo mit dem Thema Achtsamkeit und Gedöns zugeballert wird. Mir bleibt nur … die MEDITATION! Meditation klingt für mich nach Esoterik-Blödsinn. Menschen und Buddhas, die im Schneidersitz hocken und »Ohmm« sagen – das Klischee halt.
Ich mache trotzdem ein Experiment: Ich chill mein Auge in 7 Tagen. Jeden Tag werde ich mithilfe einer App ein paar Minuten meditieren und hoffe, so mein Augenzucken loszuwerden.
Die Apps
Fürs Meditieren gibt es inzwischen sehr viele Apps. »10 % happier« ist beispielsweise eine App, deren Name schon das Ziel beschreibt: 10 % glücklicher; das ist nicht so viel, aber selbst wenn, was soll ich mit Glück und Zufriedenheit, wenn mein Auge zuckt? Die App »7mind« ist bei mir leider gar nicht gestartet, dafür gibt es direkt mal null Punkte. »Calm« scheint vielversprechend zu sein, die Kommentare und eine Anmerkung in der App lassen jedoch darauf schließen, dass nach 7 Tagen Probe-Abo ohne Vorwarnung ins richtige Abo gewechselt wird, daher fällt auch diese App flach. »Headspace« ist ansprechend. Nette bunte Figuren, eine ruhige Stimme und Übungen, die mit 3 Minuten Dauer starten. »Du hast Pause« ist die letzte App, die ich teste. Sie beginnt direkt mit einer zehnminütigen Einführung, was mir zu lang erscheint und auch eher leichten Stress auslöst, da man die ganze Zeit auf dem Schirm haben muss, wie lange die Übung noch geht.
Es bleibt also bei »Headspace«. 3 Minuten pro Tag sind definitiv machbar! Und los gehts. Da sich die Meditationen irgendwie wiederholen, beschreibe ich zwei Beispieltage und gebe ein Fazit:
Tag 1: Es ist 7:30 Uhr. Meine Freundin schnarcht noch vor sich hin, die eine Katze schlummert friedlich auf meinem Kopfkissen, das sie sich in der Nacht erobert hat. Ich bin gerädert. Zeit zum Meditieren? Ich weiß nicht genau – wann ist die beste Zeit zum Meditieren? Man kommt zur Ruhe, soll abschalten, klingt für mich eher nach schlafen gehen und tatsächlich sehe ich nach meiner ersten Meditationsübung Parallelen zum Schlafen. Aber dazu später.
Ich setze mich also aufs Sofa, Beine hoch, Arme neben dem Körper abgelegt. Es fängt an. Eine weibliche Stimme erzählt mir, was ich zu tun habe … Ich soll einatmen, ausatmen, das kann ich gut. Dann soll ich meinen Körper erspüren, wie die Hände auf den Beinen liegen … Verdammt, meine Hände liegen aber doch neben mir. Wie die Fußsohlen sich auf dem Boden anfühlen. Ehm ok. Villeicht wär es hilfreich gewesen vorher zu wissen, wie man sitzen soll, wenn man meditiert. Das wirft mich ein wenig aus der Bahn, aber dann geht es wieder ums Atmen und ihr erinnert euch: das kann ich gut. Konzentration auf den Bauch, das Auf und Ab …
Die Stimme in meinem Ohr erläutert einen Vergleich. Die Gedanken soll man beobachten, als stünde man an einer Straße und beobachte den Verkehr. Man sieht ihm zu und lässt ihn ziehen, wie er ist. Interessante Metapher. Die App fragt, ob es nicht verlockend ist, einfach auf die Straße zu rennen und sich zu beteiligen. Momentchen mal, was genau soll mir hier suggeriert werden? Zum Glück bin ich einfach zu faul, um mich ablenken zu lassen und irgendwo dran teilzunehmen und außerdem nicht lebensmüde genug. Gedanken als gefährliche Autos und Laster widerspricht eigentlich dem Gequatschte, was bisher über Gedanken geäußert wurde. Vielleicht brauche ich hinterher noch einen Kurs, der »Gedanken sind deine Freunde« heißt. Mal sehen.
Die weibliche Stimme rät mir, wenn ich nichts vom Auf und Ab spüre, die Hand auf den Bauch zu legen … Ich assoziiere das mit schwangeren Frauen, und frage mich, ob ich meine Verdauung tasten könnte, wenn ich nur richtig viel Pizza essen würde … Und dann Leute auffordern: »Hier fühl mal, wie es tritt, die kleine Margherita-Spezial«.
Als könnte die Stimme meine Gedanken lesen, sagt sie: »Deine Gedanken können abschweifen, dann lass‘ sie einfach los und kehre zurück zum Körpergefühl« oder so ähnlich. Ich lasse also los und konzentriere mich wirklich nur aufs Atmen … Und für einen kurzen Moment: kein Gedanke … Also entweder bin ich ein Naturtalent oder etwas verblödet, mag sein, aber da war ein ruhiger Moment, in dem ich an nichts aber auch gar nichts gedacht habe, so wie – und da schließt sich der Kreis – wie beim Einschlafen.
Vielleicht war Schlafen bisher auch meine Art zu meditieren, den Kopf wieder »freizukriegen« – ich hasse diese Floskel »den Kopf freikriegen«, vor allem, weil sie oft von Leuten ausgesprochen wird, die joggen und ich hasse Joggen. Jedenfalls, wenn Chaos und Stress mein Hirn regieren, lege ich mich gerne hin und warte auf diesen Moment vorm Schlaf. Dieser spezielle Wegdös-Moment, in dem man noch wach ist, aber alles loslässt. Ist das vielleicht der richtige Weg zur Meditation? Wir werden es sehen.